MEIN SCHATTEN UND ICH

Wer bin ich eigentlich wirklich?

Wenn sich Katharina mit drei Schlagwörtern selbst charakterisieren soll, nennt sie wie aus der Pistole geschossen: Selbstbewusst, zielorientiert, tough. Sie hat ihr Leben fest im Griff, hat bereits mit Anfang 30 eine bemerkenswerte Karriere im Marketing hingelegt, ist vielseitig gebildet und geht jede Woche dreimal zum Sport. Sie tritt selbstsicher auf, vertritt ihre Meinung vor anderen souverän und wird von ihren Freunden für Ihre Unabhängigkeit bewundert. Dies hat sie nicht zuletzt auch der Erziehung durch ihre alleinerziehende Mutter zu verdanken, die ihr von klein auf eingeimpft hat, wie wichtig Stärke und Unabhängigkeit sind. Katharina ist schon lange Single und wünscht sich endlich eine dauernde, stärkende Beziehung. Sobald ein geeigneter Kandidat in Sichtweite kommt, passiert bei Katharina allerdings etwas Merkwürdiges: Aus der souveränen, selbstsicheren Businessfrau wird nach und nach ein kleines, anhängliches Mädchen, das seine Selbständigkeit und Selbstsicherheit immer mehr zu verlieren scheint. Sie beginnt zu klammern, wird immer weinerlicher, Eifersucht und Verlustangst machen sich bemerkbar. Dies irritiert dann verständlich den neuen Partner, der eigentlich dachte, er habe eine selbstbewusste, unabhängige und lockere Frau erwischt. Klammern und Eifersucht standen nicht auf seiner Wunschliste, folglich sucht er schnell das Weite. Katharina selbst ist von Ihrem zweiten Ich ebenso verunsichert wie abgestoßen. Wie kann es sein, dass sie genau die Seiten, die sie bei anderen Frauen so verabscheut, in einer Beziehung selbst zu entwickeln scheint?

Wie viele Seelen schlagen eigentlich wirklich in unserer Brust?

Markus, 35 Jahre alt, ist mit seiner Frau bereits seit 15 Jahren zusammen. Seit 10 Jahren ist er verheiratet, hat drei Kinder und lebt ein geordnetes Leben im finanzierten Eigenheim am Rande einer hessischen Kleinstadt. Er hat seine Frau noch nie betrogen und ist sehr stolz auf seine gefestigten Werte wie Disziplin, Ordnung, Treue und Respekt. Ohne Plan in den Tag hinein zu leben, ist ihm fremd. Er hält sich für einen reifen Mann, der erkannt hat, dass „man“ eben irgendwann erwachsen werden muss und sich dementsprechend festzulegen hat. Hier hat er sich ganz klar und bewusst von seinem eigenen Vater abgegrenzt, der die Familie verlassen hat, als Markus noch klein war und sich als Lebenskünstler nach Bali abgesetzt hat. Die Ehe von Markus ist stabil, ohne große Höhen und Tiefen, allerdings auch ohne große Leidenschaft. Sie haben sich in ihrem Alltag arrangiert. Dennoch gibt es manchmal Momente, in denen Markus vom Auswandern und durchwachten Nächten in den Armen einer feurigen Frau träumt.

Markus‘ Freund Oliver ist das genaue Gegenteil. Als umtriebiger Langzeit-Single wechselt er die Frauen wie seine Socken, lebt als freiberuflicher Web-Designer in einer kreativen Erwachsenen-WG und genießt das Leben so, wie es eben kommt. Markus verabscheut Olivers Frauen-Verschleiß und sein unstrukturiertes Leben, da es ihm in seinem eigenen Ordnungs- und Sicherheitsdenken komplett widerstrebt. Gleichzeitig merkt er aber auch, dass es Momente gibt, in denen er Oliver um seine Lockerheit und seine sexuellen Abenteuer beneidet. Selbstverständlich unterdrückt Markus diese Gedanken sofort, sobald er sie bemerkt, aber tief in seinem Inneren spürt er, dass diese Sehnsucht trotz allen Verurteilens und Verdrängens lebendig bleibt.

Warum wünschen wir uns oft genau das, was wir glauben, offiziell verurteilen zu müssen?

Auch Markus kann sich mit seinem Bedürfnis nach Abenteuer und sexueller Freizügigkeit nicht anfreunden. Es macht ihm Angst, folglich verschanzt er sich hinter allem, was ihm die gewohnte Sicherheit und Stabilität verspricht. Aber ist das der richtige Weg?
Sowohl Markus als auch Katharina werden immer wieder mit mehr oder weniger unbewussten persö¶nlichen Anteilen konfrontiert, die ihrem etablierten Selbstbild, der gewünschten Außenwahrnehmung und ihren vertretenen Werten widersprechen. Statt ihre unbewussten Anteile bewusst anzusehen, kennen zu lernen und konstruktiv in Ihr Leben zu integrieren (und das heißt NICHT, dass Markus jetzt munter durch andere Betten turnt und Katharina zum Heimchen am Herd mutieren soll), gehen Sie auf Konfrontation. Sie unterdrücken alles, was nicht in das von Ihnen gewünschte Bild passt, Sie verbannen ihre „Schatten“ in die hinterste Ecke ihre Psyche, in der Hoffnung, dass sie dort bleiben und sich still verhalten. Das funktioniert jedoch nicht.

Wie können wir einen Schatten erkennen?

Der berühmte Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung geht in seinem tiefenpsychologischen Persönlichkeitsmodell davon aus, dass die Psyche bewusste und unbewusste Anteile hat. Diese unbewussten Anteile (in Anlehnung an Platos Höhlengleichnis werden sie manchmal Schatten genannt), werden z.B. in Träumen besonders sichtbar. Sie sind ständig in uns aktiv, meistens aber eben UN-bewusst. Deshalb können wir uns, unser Verhalten und unsere Gefühle oft nicht vollständig begreifen. Wie auch, wenn wir wichtige Anteile in uns verdrängen und versuchen, abzuspalten?
Ziel ist, unsere unbewussten Anteile zu integrieren und vom Widerstand in die Öffnung zu gehen, dafür müssen wir aber zunächst herausfinden, was genau wir zu verdrängen zu versuchen, also wo genau unsere Schatten liegen.

Hierfür gibt es eine einfache Grundregel: Das, was uns an anderen am meisten aufregt (also nicht nur etwas stört, sondern uns sofort den Puls in die Höhe schnellen lässt und starke negative Emotionen hervorruft) ist in der Regel ein Anteil, den wir uns selbst verbieten. Wenn Markus also seinen Freund Oliver für seine Freizügigkeit vehement verurteilt, ist die Chance sehr hoch, dass es ich hier um einen eigenen, allerdings unterdrückten Anteil von Markus handelt.
Wenn Katharina sich leidenschaftlich im Kreise gleichgesinnter Freundinnen über die „verzweifelte und unterwürfige“ Anschmiegsamkeit der Dame am Nebentisch aufregt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie selbst diese eigene Sehnsucht tief in den dunklen Keller Ihres Unterbewusstseins verbannt hat.

Unsere eigenen Reaktionen auf das Verhalten Anderen sind also ein guter Indikator, welche Anteile wir von uns selbst nicht genug würdigen und unterdrücken.

Was will uns unser Schatten sagen?

Dass Unterdrückung nicht dauerhaft funktioniert, wissen wir nicht nur aus der Psychologie. Unterdrückung kann eine Weile ihren Zweck erfüllen, aber wir können sicher sein: Unter der Oberfläche brodelt es gewaltig, und irgendwann werden sich diese Anteile Bahn brechen, und dann vermutlich extrem.

Ist es nicht sinnvoller, unseren „Schatten“ offen zu begegnen und sie bei Licht zu betrachten?

Welche Botschaft haben die Anteile, die wir unterdrücken, und warum unterdrücken wir sie überhaupt? Wie können wir diese Anteile sinnvoll und positiv in uns, unser Fühlen und Verhalten integrieren? Allein können wir die Antworten in der Regel nicht finden, hier ist ein gutes Coaching nötig. Besonders die Herleitung und Hinterfragung unser anerzogenen Werten und Glaubenssätze spielt hier eine zentrale Rolle.

Meine Schatten und ich sind gute Freunde

Fest steht: Unsere unbewussten „Schatten“ sind genauso ein Teil von uns, wie die Anteile, die wir bewusst zulassen. Letztlich haben wir die Wahl: Sollen unsere Schatten unsere Freunde werden, oder sollen sie auch in Zukunft flatterhafte Gespenster bleiben, die uns unkontrollierbar das Leben schwer machen?

Nur, wenn wir uns allen unseren Anteilen stellen, können wir psychisch gesund und mit uns im Reinen bleiben. Nur, wenn wir allen unseren Anteilen erlauben, „sein“ zu dürfen und die positive Botschaft dahinter erkennen, sind wir imstande, unser Potenzial voll zu nutzen und authentisch zu sein. Das Ergebnis sind positivere zwischenmenschliche Beziehungen, mehr innere Gelassenheit und die Fähigkeit, unser Leben authentisch und auf die eigenen Ziele fokussiert zu gestalten.

Wer Lust hat, tiefer in dieses faszinierende Thema einzusteigen, findet hier einen spannenden Workshop: Starke Frau – starker Mann – starkes Duo!