Die Halbwertszeit des Glücks

Das flüchtige Glück

Das Glück ist eine leichte Dirne,
und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne
und küsst dich rasch und flattert fort.
Frau Unglück hat im Gegentheile
Dich liebefest an’s Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu Dir an’s Bett und strickt.

Heinrich Heine

Dieses Gedicht schrieb mir meine Großmutter vor vielen Jahren in mein Poesiealbum. Damals mit 8 Jahren habe ich Heines Worte natürlich nicht richtig verstanden. Den Gedanken an ein strickendes Unglück an meinem Bett fand ich ziemlich gruselig, und dass das Glück gleich wieder weg flattert, erschien mir etwas übertrieben.
Heute, wo gefühlt alle auf der Jagd nach dem großen Glück sind und dieses zum Teil über Likes in den (a-)sozialen Netzwerken oder Size Zero definieren, hat Glück eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Nicht nur die Philosophen widmen sich diesem schönen Thema. Die Hedonisten z.B. verstehen grob gesagt unter Glück das lustvolle, achtsame Auskosten des jeweiligen Augenblicks (nicht zu verwechseln mit hemmungsloser Völlerei). Die Vertreter der eudaimonischen Richtung definieren Glück darüber, dass Menschen an guten Werten orientiert handeln und Sinnhaftigkeit in Ihrem Tun erfahren. Aber Glück beschäftigt nicht nur unsere Philosophen, es ist auch Thema der Forschung. Das Frage, wie viel unseres Glücksempfindens genetisch vorprogrammiert ist und wieviel wir selbst tun können, um „glücklich“ zu sein, füllt zahlreiche Bücherregale und Mediatheken. Themen wie Dankbarkeit, Zielorientierung, achtsames Erleben und Optimismus gelten als anerkannte Faktoren, die unser Glücksempfinden stärken. Auch die positive Psychologie widmet sich unserem großen Glück und setzt es unter anderem in Kontext mit dem Thema Flourishing. Glück empfinden wir also dann, wenn wir erblühen und uns entfalten können. Wir gehen Tätigkeiten nach, die uns erfüllen und fordern, aber nicht überfordern. Dann geraten wir in einen wunderbaren „Flow-Zustand“.

Was macht uns glücklich?

Wie und anhand welcher Faktoren wir Glück für uns definieren, entscheiden wir letztlich individuell selbst. Was uns aber vermutlich alle vereint, ist die Flüchtigkeit glücklicher Momente, deren viel zu kurze Wirkung – und im Gegenzug dazu das Haftenbleiben an Momenten, die uns nerven und runterziehen. Morgens kommen wir noch glücklich und erleichtert vom positiv verlaufenen Kontrolltermin beim Arzt und schwören uns, die Dankbarkeit für unser wichtiges Gut Gesundheit dauerhaft beizubehalten, und schon eine Stunde später ist dieses positive Gefühl dem Ärger über den verpassten Bus gewichen. Unser Glück über die nette Whatsapp unserer besten Freundin weilt vielleicht für einen flüchtigen Augenblick, während die Wut auf unseren Partner, der mal wieder den Müll vergessen hat, uns die ganze Mittagspause vermiest. Das Glück flattert, das Unglück macht es sich zum Stricken neben uns bequem. Heinrich Heine war ein weiser Mann. Glück hat eine kurze Halbwertszeit.
Grundsätzlich ist es uns Menschen angeboren, negative Ereignisse stärker als positive zu verankern, um uns für die Zukunft vor negativen Wiederholungen zu schützen. Im weitesten Sinne also ein Überlebensmechanismus. Aber heißt das automatisch, dass wir dem Glück dafür weniger Raum geben sollen? Definitiv nicht!

Jeder ist seines Glückes Schmied

Wir alle kennen das Sprichwort: Jeder ist seines Glückes Schmied. Das mag generell stimmen, allerdings gibt es natürlich auch Perioden im Leben, in denen wir wenig haben, womit wir schmieden können. Wenn uns Krankheiten oder Schicksalsschläge ereilen, wenn wir uns verlassen und traurig fühlen und die ganze Welt grau erscheint. Zum „Glück“ gehen derartige Episoden aber auch irgendwann zuende.
Letztlich können wir alle lernen und stetig üben, den vielen positiven Glücksmomenten in unserem Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sie achtsamer und länger am Leben zu halten. Die positiven Gefühle freudig wahrnehmen und in uns verankern, ggf. aufschreiben, um sie lebendig zu halten. Uns Tätigkeiten suchen, die uns mit Sinnhaftigkeit erfüllen und uns Zeit dafür nehmen, unsere persönlichen Werte zu definieren und möglichst oft nach ihnen zu handeln. Glück durch Selbstliebe in uns finden, anstatt uns von dem Wohlwollen Anderer und anonymer Likes abhängig zu machen. Und nicht zuletzt auch die unglücklichen Momente als das sehen, was sie sind: Zeitlich begrenzte Einheiten, die vorübergehen werden. Vielleicht nicht mit flatterhafter Leichtigkeit und möglichweise viel Anschubhilfe, aber auch das Unglück hat eine Halbwertszeit. Möglicherweise empfinden wir das Unglück durch unseren menschlichen eingebauten Dramamodus bisweilen intensiver als nötig. Halten es zu sehr fest und lassen das Glück achtlos entweichen.
Wenn wir aufmerksam dranbleiben am Glück, es aktiv zum Bleiben einladen, bleibt es vermutlich auch mal länger an unserem Bett sitzen statt den Platz Frau Unglück zu überlassen.
Das Glück hat viele Gesichter und versteckt sich an jeder Ecke, manchmal groß und überwältigend, manchmal klein und so unscheinbar, dass wir eine Brille brauchen, um es zu bemerken. Aber es ist da. Je stärker wir unseren Blick darauf ausrichten, desto mehr werden wir finden. Letztlich sind wir alle Glücksucher. Und die frohe Botschaft lautet: Trotz bisweilen kurzer Halbwertszeit ist Glück eine nie endende Ressource.

Foto: Giallo/pexels.com

Gefühle fließen lassen mit Musik

Wie uns Musik beflügelt und in Kontakt mit uns selbst bringt, erzählt uns meine Kollegin und Opernsängerin Almut Panfilenko.

Almut Panfilenko ist Opern- und Konzertsängerin u.a. am Saarländischen Staatstheater und Dozentin für Gesang an der Musikhochschule Saarbrücken. Inspiriert von dem Wunsch, Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten, absolvierte sie Ausbildungen zum Personal und Business Coach sowie zum Trained Hypnotist.

  • Du bist ausgebildete Opernsängerin und hast täglich mit Musik zu tun. Warum tut uns Musik gerade in schwierigen Zeiten so gut?
    Musik spricht die emotionale Ebene an, die in unserem rational geprägten Leben manchmal zu kurz kommt. Vielleicht möchten wir vor Freude tanzen, wenn wir einen Lieblingssong hören. Vielleicht sind wir zu Tränen gerührt von Musik, die „einfach so wunderschön“ ist.
    Wenn wir in Kontakt mit unseren Emotionen sind, dann sind wir auch im Kontakt mit uns selbst. Gleichzeitig stoppt dadurch das Gedankenkarussel, das sich manchmal vor Sorgen und Ängsten im Kreis dreht. Die Musik entführt uns in eine andere Welt und lässt den Alltag kurz verblassen. Ein Kurzurlaub, Wellness für die Seele.
  • Welche Kraft ziehst Du ganz persönlich in der aktuellen Coronakrise aus der Musik, und was möchtest Du unseren Lesern als positiven Impuls mitgeben?
    Wenn ich singe oder musiziere, dann ist es ein Gefühl, als würde alles in meinem Körper fließen. Es gibt keine Blockaden mehr, keine Sorgen, keine Pläne. Ich bin völlig frei und genieße den Moment.
    Ein Impuls an Euch Leser könnte sein: Gebt der Musik in Eurem Leben Raum. Vielleicht könnt Ihr selbst musizieren, vielleicht hört Ihr einfach eure Lieblingssongs und singt laut mit. Genießt die Musik mit allen Sinnen und spürt, was sie in Euch auslöst. Möchtet Ihr tanzen, lachen, weinen? Tut es! Lasst Euch fallen und gebt Euch hin. Erlaubt Euch einen Moment ohne Verstand und Bewertung, in dem Ihr einfach nur ihr selbst sein dürft.
  • Du bist vertraut mit den unterschiedlichsten Musikgattungen. Welche Wirkungen beobachtest Du bei Dir selbst bei welcher Musikrichtung?
    Klassischer Gesang löst bei mir professionelle analytische Gedanken aus, da kann ich leider nicht mehr loslassen. Aber orchestrale Werke berühren mich emotional sehr stark.
    Ich habe eine Vorliebe für Heavy Metal und Rockmusik und diese Art Musik gibt mir viel Energie. Ich möchte dann Tanzen, Mitsingen, Feiern, Spaß haben. Ruhige Meditationsmusik genieße ich als Hintergrund beim Yoga. Und es gibt bestimmte Lieblingssongs verschiedener Stilrichtungen, die „inneren Sonnenschein“ in mir auslösen oder mich an besondere Menschen oder Situationen erinnern.
  • Was sollten wir in schwierigen Zeiten definitiv in unserer Playlist haben?
    Das ist natürlich sehr individuell. Ich würde vorschlagen, Songs für bestimmte Emotionen oder Erinnerungen auf Vorrat zu haben.
    Also z.B. suche ich mir Lieder,
    bei denen ich tanzen möchte und nicht stillsitzen kann
    die mein Herz berühren und erwärmen
    die mich beruhigen, wenn ich vielleicht nervös oder ängstlich bin
    die mich an ganz besondere schöne Situationen oder Menschen erinnern
    bei denen sich immer ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert
  • Als Sängerin bist Du sozusagen Dein eigenes Instrument. Selbst-Bewusstheit und Atmung spielen beim Singen eine zentrale Rolle. Dies sind auch ganz wichtige Elemente der Achtsamkeitslehre. Wo siehst Du für Dich einen Zusammenhang zwischen Singen, Atmung und Achtsamkeit?
    Man könnte sagen, „Singen ist Atmung“. Man atmet tief ein und dann atmet man ganz langsam wieder aus und erzeugt dabei Töne.
    Ganz allgemein hat Singen viel mit Körperwahrnehmung und Achtsamkeit zu tun.
    Als Gesangslehrerin helfe ich meinen Schülern wahrzunehmen, wo im Kopf bzw. Körper sie Vibrationen von Tönen oder den Atem spüren können. Daraus entsteht mit der Zeit die Gesangstechnik, indem Töne z.B. an einen bestimmten Platz gelenkt werden können.
    Aber auch „einfach so singen“ enthält Elemente der Achtsamkeit. Die Konzentration ist in diesem Moment völlig beim eigenen Körper, der Stimme, der Melodie, die gesungen wird. Vielleicht liegt die Aufmerksamkeit nicht bewusst beim Atem, aber er wird zum Singen genutzt und fließt dadurch ruhig und gleichmäßig. So entsteht das Fließen in Körper und Geist, das Blockaden und kreisende Gedanken zumindest für den Augenblick verschwinden lässt.
  • Inwiefern ergeben sich hier sinnvolle Impulse zur aktuellen Krisenbewältigung?
    Diese Konzentration auf sich selbst und den eigenen Körper kann sehr hilfreich sein. Die sorgenvollen Gedanken dürfen einmal ruhen und werden durch die Beschäftigung mit der Musik abgelenkt. Die gleichmäßige Atmung beim Singen beruhigt und kann helfen, wenn ein Mensch nervös oder ängstlich ist.
    Die Vibrationen des Gesangs im Körper in Verbindung mit der Musik lösen Glücksgefühle und Freude aus und das ist natürlich hilfreich gegen negative Stimmungen aller Art.
    Wenn man laut singt, spürt man auch Kraft und Stärke in der Stimme und im Körper, was dazu führen kann, dass man sich ingesamt stärker und mutiger fühlt und sich mehr zutraut. Das Selbstbewusstsein wächst durch das positive Erlebnis mit der eigenen Stimme.
  • Du hast ja auch eine Ausbildung zum Coach absolviert. Kannst Du Dir vorstellen, Deine Erfahrung als Sängerin in Deine Coachings einfließen zu lassen und wenn ja, wie?
    Zwei Themen bieten sich sofort an: 1. Arbeit an der Stimme, um besser, klarer, deutlicher und gesünder sprechen zu können. 2. Auftrittstraining (Ausstrahlung, Präsenz), um z.B. besser vor Gruppen sprechen zu können oder beim Kunden eine Präsentation durchzuführen.
    Ein anderes Element ist z.B. das Thema Blockade auf der einen Seite und „fließen lassen“ auf der anderen Seite.
    Beim Singen und Musizieren erlebe ich oft, wie die Musik durch mich strömt und alles in meinem Körper frei fließen darf. Dieses Gefühl möchte ich anderen Menschen vermitteln. Teilweise verwende ich dazu musikalische Elemente, aber auch z.B. Hypnose.
  • Ich selbst hatte auch eine Zeitlang Gesangsunterricht – leider mit überschaubarem Erfolg. Dennoch habe auch ich gemerkt, wie gut das Singen der Seele tut, und wie leicht wir uns beim Singen auf uns selbst fokussieren können. Warum hat Singen so eine positive Auswirkung auf unsere mentale Verfassung?
    Ich halte Singen für einen sehr natürlichen Zustand wie beispielsweise gehen und laufen.
    Ganz im Gegenteil zu Tätigkeiten wie am Computer sitzen oder mit dem Handy spielen.
    Meiner Meinung nach sind wir viel zu weit entfernt von dem, was unsere Natur/unser Körper eigentlich möchte. Singen ist ein natürlicher freudiger selbstverständlicher Ausdruck und ich glaube neben den angesprochenen Punkten Achtsamkeit, Beschäftigung mit sich selbst und Ankommen im Hier und Jetzt ist das einer der Gründe, warum uns Singen so gut tut.
  • Wenn ich anfangen möchte zu singen, was sollte ich unbedingt beherzigen, um nicht sofort frustriert das Handtuch zu werfen?
    Zuallererst dient Singen der eigenen Freude. Von daher gilt zu Beginn: Einfach Spaß haben, die klingende Stimme genießen und den Körper wahrnehmen. Erwartungen und Ziele sollten realistisch gesteckt sein. Kein Vergleich mit anderen Sängern, sondern, wenn überhaupt, nur überprüfen, ob es einen Fortschritt in der eigenen Entwicklung gibt.
  • Was möchtest Du unseren Lesern positiv mit auf den Weg geben?
    Wenn der gewohnte Pfad plötzlich versperrt ist, dann tun sich neue Wege auf. So kann eine Krise auch positive Aspekte z.B. im Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung haben. Seht die Chance und nicht nur das Problem. Verbringt Zeit mit Dingen und Menschen, die Euch am Herzen liegen und genießt es mit allen Sinnen.

Mehr zu Almut erfahrt Ihr hier:
Sängerin: www.almutpanfilenko.de
Gesangsstudio: www.meine-stimme-und-ich.de
Coaching: www.coaching-saar.de

Foto: Music_Pixabay/ Pexels.com

Im Gespräch #6: Die schönen Dinge im Alltag finden!

Es ist Zeit für die schönen kleinen Momente in unserem Alltag! In dieser inspirierenden Podcast-Folge nehmen meine strahlende Kollegin Petra Reifschneider vom Podcast Geliebt – Geborgen – Glücklich und ich die Frage unter die Lupe, wie wir uns im Alltag mehr auf die vielen schönen Momente konzentrieren können, statt uns von Kleinigkeiten die Laune verderben zu lassen.
Hier geht es zum Gespräch!
Mehr Inspiration findet Ihr auf meinem Blog.
Alle Infos zu Petra gibt es hier!