Hommage an das Alleinsein

Hommage an das Alleinsein

Was bedeutet Luxus?

Wenn ich dem Beitrag über die Pariser Fashion Week, den ich heute Morgen gesehen habe, glauben darf, besteht Luxus in Kleidern, die eher Karnevalskostümen als tragbaren Gewändern gleichen und mindestens fünfstellige Beträge kosten. Zur scheinbaren Elite gehört offenbar, wer sich diese Clown-Klamotten, mit denen man durch keine Tür passt und erst recht keine Treppe hochkommt, leisten kann. „Luxus“ scheint aus unsinnigen Statussymbolen und grenzenloser Dekadenz zu bestehen, die medientauglich in Szene gesetzt wird, um das Staunen und den Neid anderer weniger betuchter Menschen zu entfachen. Wer sich diesen „Luxus“ leisten kann, scheint auf der Sonnenseite zu stehen.
Aber können materielle Luxus-Güter wirklich ein dauerhaftes Hochgefühl erzeugen?  Angststörungen, Einsamkeit und Depressionen machen auch vor den sogenannten Stars nicht halt, die von den Machern exklusiver Produkte nur zu gern als menschliche Aushängeschilder benutzt und mit den entsprechenden Sachen versorgt werden. Materieller Luxus bleibt oberflächlich, sein Glücksgefühl ist schnell vergänglich.

Was ist also wahrer Luxus?

Die Antwort auf diese Frage muss vermutlich Jeder und Jede für sich selbst beantworten. Ich durfte jedoch vor Kurzem erfahren, was Luxus unter anderem für mich bedeutet: Ein paar Tage komplett für mich allein zu haben, auf einer wunderschönen Nordseeinsel – nur Zeit mit mir zu verbringen, meinen Gedanken nachzuhängen, stundenlang an der frischen Luft zu verbringen, ins Unendliche zu laufen und das Meer und seine Weite zu genießen. Tiefe Reflexion zuzulassen genauso wie das süße Nichtstun und Nichtsdenken. Alles in meinem Rhythmus, nichts absprechen müssen. Dankbar zu sein für jede Minute dieser Auszeit – und gleichzeitig für das unglaublich wertvolle, tragende und liebevolle Netzwerk von Familie und Freunden, das zuhause auf mich wartet.

Allein oder einsam?

Allein zu sein ohne Einsamkeit zu empfinden, ist manchmal nicht leicht. Je nachdem wie aufgehoben und geliebt wir uns generell fühlen, ob wir mit uns im Reinen sind oder gerade hadern, kann uns der Gedanke an eine Auszeit mit uns selbst mit Freude oder Entsetzen erfüllen. Vielleicht haben wir dieses Experiment bis jetzt noch nie gewagt und tun uns mit dem Sprung aus dieser Komfortzone etwas schwer. Möglicherweise haben wir auch Angst vor dem Emporkommen von Gedanken und Themen, die wir im Alltag und in Gemeinschaft mit Anderen erfolgreich umschiffen und am liebsten gar nicht zulassen möchten. Vielleicht spüren wir, dass es Stationen in unserem Leben gibt, in denen wir mit uns unzufrieden sind, uns hilflos und ungenügend fühlen. Erfahrungen, die uns immer noch Schmerzen bereiten und unter unserer Alltagsoberfläche schwelen. Eine Auszeit mit uns selbst klingt toll, solange wir mit uns selbst gut befreundet sind. Aber was, wenn genau diese Freundschaft mit uns selbst Brüche aufweist und wir uns selbst eher harter Kritiker als liebevoller Freund sind? Ist es dann nicht eher eine harte Konfrontationstherapie als Erholung?

Möglicherweise ist das so. Vielleicht werden wir mit Schmerz konfrontiert, den wir lange in uns begraben haben, liegen die ein oder andere Nacht wach, weil die Stille zu uns spricht und wir nicht abschalten können. Werden auf uns selbst zurückgeworfen und spüren, dass wir an uns arbeiten können, um die ein oder andere Baustelle dauerhaft zu schließen.
Und auf der anderen Seite erfahren wir einen Raum ins uns selbst, den wir durch den dröhnenden Alltag kaum mehr zugänglich machen. Und genau in diesem Raum kann eine unglaubliche Kraft entstehen für Heilung, Reflexion, Selbstliebe und neue Perspektiven.
Für ein tiefes durchatmen, sich neu aufstellen und fokussiert weitergehen – wenn wir uns die Zeit dafür nehmen.

Zeit mit uns selbst zu verbringen und uns vorübergehend aus allem rauszuziehen, ist das größte Geschenk, das wir uns machen können. Auch, wenn wir möglicherweise zunächst ängstlich unsere Koffer packen.
Egal wie lang und an welchem Ort – dieser Sprung auf der Komfortzone ist gelebte Selbstliebe.
Mehr Luxus geht nicht.