Gefühle fließen lassen mit Musik

Wie uns Musik beflügelt und in Kontakt mit uns selbst bringt, erzählt uns meine Kollegin und Opernsängerin Almut Panfilenko.

Almut Panfilenko ist Opern- und Konzertsängerin u.a. am Saarländischen Staatstheater und Dozentin für Gesang an der Musikhochschule Saarbrücken. Inspiriert von dem Wunsch, Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten, absolvierte sie Ausbildungen zum Personal und Business Coach sowie zum Trained Hypnotist.

  • Du bist ausgebildete Opernsängerin und hast täglich mit Musik zu tun. Warum tut uns Musik gerade in schwierigen Zeiten so gut?
    Musik spricht die emotionale Ebene an, die in unserem rational geprägten Leben manchmal zu kurz kommt. Vielleicht möchten wir vor Freude tanzen, wenn wir einen Lieblingssong hören. Vielleicht sind wir zu Tränen gerührt von Musik, die „einfach so wunderschön“ ist.
    Wenn wir in Kontakt mit unseren Emotionen sind, dann sind wir auch im Kontakt mit uns selbst. Gleichzeitig stoppt dadurch das Gedankenkarussel, das sich manchmal vor Sorgen und Ängsten im Kreis dreht. Die Musik entführt uns in eine andere Welt und lässt den Alltag kurz verblassen. Ein Kurzurlaub, Wellness für die Seele.
  • Welche Kraft ziehst Du ganz persönlich in der aktuellen Coronakrise aus der Musik, und was möchtest Du unseren Lesern als positiven Impuls mitgeben?
    Wenn ich singe oder musiziere, dann ist es ein Gefühl, als würde alles in meinem Körper fließen. Es gibt keine Blockaden mehr, keine Sorgen, keine Pläne. Ich bin völlig frei und genieße den Moment.
    Ein Impuls an Euch Leser könnte sein: Gebt der Musik in Eurem Leben Raum. Vielleicht könnt Ihr selbst musizieren, vielleicht hört Ihr einfach eure Lieblingssongs und singt laut mit. Genießt die Musik mit allen Sinnen und spürt, was sie in Euch auslöst. Möchtet Ihr tanzen, lachen, weinen? Tut es! Lasst Euch fallen und gebt Euch hin. Erlaubt Euch einen Moment ohne Verstand und Bewertung, in dem Ihr einfach nur ihr selbst sein dürft.
  • Du bist vertraut mit den unterschiedlichsten Musikgattungen. Welche Wirkungen beobachtest Du bei Dir selbst bei welcher Musikrichtung?
    Klassischer Gesang löst bei mir professionelle analytische Gedanken aus, da kann ich leider nicht mehr loslassen. Aber orchestrale Werke berühren mich emotional sehr stark.
    Ich habe eine Vorliebe für Heavy Metal und Rockmusik und diese Art Musik gibt mir viel Energie. Ich möchte dann Tanzen, Mitsingen, Feiern, Spaß haben. Ruhige Meditationsmusik genieße ich als Hintergrund beim Yoga. Und es gibt bestimmte Lieblingssongs verschiedener Stilrichtungen, die „inneren Sonnenschein“ in mir auslösen oder mich an besondere Menschen oder Situationen erinnern.
  • Was sollten wir in schwierigen Zeiten definitiv in unserer Playlist haben?
    Das ist natürlich sehr individuell. Ich würde vorschlagen, Songs für bestimmte Emotionen oder Erinnerungen auf Vorrat zu haben.
    Also z.B. suche ich mir Lieder,
    bei denen ich tanzen möchte und nicht stillsitzen kann
    die mein Herz berühren und erwärmen
    die mich beruhigen, wenn ich vielleicht nervös oder ängstlich bin
    die mich an ganz besondere schöne Situationen oder Menschen erinnern
    bei denen sich immer ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert
  • Als Sängerin bist Du sozusagen Dein eigenes Instrument. Selbst-Bewusstheit und Atmung spielen beim Singen eine zentrale Rolle. Dies sind auch ganz wichtige Elemente der Achtsamkeitslehre. Wo siehst Du für Dich einen Zusammenhang zwischen Singen, Atmung und Achtsamkeit?
    Man könnte sagen, „Singen ist Atmung“. Man atmet tief ein und dann atmet man ganz langsam wieder aus und erzeugt dabei Töne.
    Ganz allgemein hat Singen viel mit Körperwahrnehmung und Achtsamkeit zu tun.
    Als Gesangslehrerin helfe ich meinen Schülern wahrzunehmen, wo im Kopf bzw. Körper sie Vibrationen von Tönen oder den Atem spüren können. Daraus entsteht mit der Zeit die Gesangstechnik, indem Töne z.B. an einen bestimmten Platz gelenkt werden können.
    Aber auch „einfach so singen“ enthält Elemente der Achtsamkeit. Die Konzentration ist in diesem Moment völlig beim eigenen Körper, der Stimme, der Melodie, die gesungen wird. Vielleicht liegt die Aufmerksamkeit nicht bewusst beim Atem, aber er wird zum Singen genutzt und fließt dadurch ruhig und gleichmäßig. So entsteht das Fließen in Körper und Geist, das Blockaden und kreisende Gedanken zumindest für den Augenblick verschwinden lässt.
  • Inwiefern ergeben sich hier sinnvolle Impulse zur aktuellen Krisenbewältigung?
    Diese Konzentration auf sich selbst und den eigenen Körper kann sehr hilfreich sein. Die sorgenvollen Gedanken dürfen einmal ruhen und werden durch die Beschäftigung mit der Musik abgelenkt. Die gleichmäßige Atmung beim Singen beruhigt und kann helfen, wenn ein Mensch nervös oder ängstlich ist.
    Die Vibrationen des Gesangs im Körper in Verbindung mit der Musik lösen Glücksgefühle und Freude aus und das ist natürlich hilfreich gegen negative Stimmungen aller Art.
    Wenn man laut singt, spürt man auch Kraft und Stärke in der Stimme und im Körper, was dazu führen kann, dass man sich ingesamt stärker und mutiger fühlt und sich mehr zutraut. Das Selbstbewusstsein wächst durch das positive Erlebnis mit der eigenen Stimme.
  • Du hast ja auch eine Ausbildung zum Coach absolviert. Kannst Du Dir vorstellen, Deine Erfahrung als Sängerin in Deine Coachings einfließen zu lassen und wenn ja, wie?
    Zwei Themen bieten sich sofort an: 1. Arbeit an der Stimme, um besser, klarer, deutlicher und gesünder sprechen zu können. 2. Auftrittstraining (Ausstrahlung, Präsenz), um z.B. besser vor Gruppen sprechen zu können oder beim Kunden eine Präsentation durchzuführen.
    Ein anderes Element ist z.B. das Thema Blockade auf der einen Seite und „fließen lassen“ auf der anderen Seite.
    Beim Singen und Musizieren erlebe ich oft, wie die Musik durch mich strömt und alles in meinem Körper frei fließen darf. Dieses Gefühl möchte ich anderen Menschen vermitteln. Teilweise verwende ich dazu musikalische Elemente, aber auch z.B. Hypnose.
  • Ich selbst hatte auch eine Zeitlang Gesangsunterricht – leider mit überschaubarem Erfolg. Dennoch habe auch ich gemerkt, wie gut das Singen der Seele tut, und wie leicht wir uns beim Singen auf uns selbst fokussieren können. Warum hat Singen so eine positive Auswirkung auf unsere mentale Verfassung?
    Ich halte Singen für einen sehr natürlichen Zustand wie beispielsweise gehen und laufen.
    Ganz im Gegenteil zu Tätigkeiten wie am Computer sitzen oder mit dem Handy spielen.
    Meiner Meinung nach sind wir viel zu weit entfernt von dem, was unsere Natur/unser Körper eigentlich möchte. Singen ist ein natürlicher freudiger selbstverständlicher Ausdruck und ich glaube neben den angesprochenen Punkten Achtsamkeit, Beschäftigung mit sich selbst und Ankommen im Hier und Jetzt ist das einer der Gründe, warum uns Singen so gut tut.
  • Wenn ich anfangen möchte zu singen, was sollte ich unbedingt beherzigen, um nicht sofort frustriert das Handtuch zu werfen?
    Zuallererst dient Singen der eigenen Freude. Von daher gilt zu Beginn: Einfach Spaß haben, die klingende Stimme genießen und den Körper wahrnehmen. Erwartungen und Ziele sollten realistisch gesteckt sein. Kein Vergleich mit anderen Sängern, sondern, wenn überhaupt, nur überprüfen, ob es einen Fortschritt in der eigenen Entwicklung gibt.
  • Was möchtest Du unseren Lesern positiv mit auf den Weg geben?
    Wenn der gewohnte Pfad plötzlich versperrt ist, dann tun sich neue Wege auf. So kann eine Krise auch positive Aspekte z.B. im Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung haben. Seht die Chance und nicht nur das Problem. Verbringt Zeit mit Dingen und Menschen, die Euch am Herzen liegen und genießt es mit allen Sinnen.

Mehr zu Almut erfahrt Ihr hier:
Sängerin: www.almutpanfilenko.de
Gesangsstudio: www.meine-stimme-und-ich.de
Coaching: www.coaching-saar.de

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