Willkommen in Bla-Bla-Land! Ein Paradies für Worthülsen und Plattitüden

Reden statt labern

Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird das Wort der Wert sein.“
Rudolf F. Thomas

Ines fehlen die Worte.
Nicht, weil sie ihrer Sprache nicht mehr mächtig ist, sondern weil Sie keinen Ausdruck mehr findet für Ihre Enttäuschung, Frustration und Verunsicherung, die sie seit geraumer Zeit immer wieder in der Kommunikation mit anderen Menschen empfindet.
„Ich habe den Eindruck, dass die Menschen noch nie so viel gelabert und noch nie so wenig gesagt haben wie heutzutage. Alles nur Blasen, von außen schillernd und innen vollkommen hohl.“
Ines hat guten Grund, vieles, was ihr kürzlich gesagt wurde, zu hinterfragen. Die vollmundigen Versprechungen ihres Chefs, sie auf jeden Fall bei der nächsten Gehaltserhöhung zu berücksichtigen, da sie eine „megageile Performance hingelegt habe“ – um sie am Ende am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Ohne Angabe von Gründen, aber mit jeder Menge fadenscheinigen Entschuldigungen.
Ihr letztes Date, das sie nach dem Treffen zwei Tage lang mit Herzen und vollmundigen Liebesbekundungen überschwemmte, um sich an Tag drei ohne eine Erklärung wieder vom Acker zu machen. Oder auch ihre angeblich beste Freundin, die ihr fest versprach, den lang geplanten Wochenendtrip nach Brüssel zu unternehmen und in letzter Minute doch lieber auf ein Yoga-Retreat fuhr, da ihr spiritueller Kompass gerade aus dem Lot geraten sei und sie „mal an sich denken müsse“.

Menschen sind sehr verschwenderisch mit falschen Versprechungen und emotionalen Äußerungen – häufig ohne Sinn und Verstand und definitiv ohne jede Empathie für die Resonanz, die sie damit im Gegenüber auslösen. Es wird einfach ohne jede Impulssteuerung rausgehauen, und was das mit dem anderen Menschen macht, wird kräftig verdrängt bzw. gar nicht erst berücksichtigt.
Und genau diese Resonanz hat Ines ins Coaching gebracht, denn Sie ist nicht nur erschöpft und traurig, sie verliert das Vertrauen in Menschen und die Sicherheit, sich auf Worte verlassen zu können.

Was ist ein Wort überhaupt noch wert?

An dieser Frage reibt sich Ines seit Wochen auf und natürlich findet sie darauf keine allgemein gültige Antwort. Denn nur wir selbst können entscheiden, was unsere Worte wert sein sollen, ob sie ehrlich und verbindlich sind und ob wir die Bereitschaft haben, unseren Worten Taten folgen zu lassen – auch wenn es unbequem und anstrengend wird.
Aber genau davor schrecken heute so viele Menschen zurück. Vor echter Verbindlichkeit und der Umsicht, ihre Worte weise zu wählen und Verantwortung für ihre Wirkung zu übernehmen.
In Zeiten, in denen jeder Mensch jegliche Plattitüde in die Welt blasen und sich gleichzeitig im anonymen Sumpf des Internets verstecken kann, zeigt sich, dass die meisten nicht wirklich etwas zu sagen haben. Dass sie sich ihre eigene Wichtigkeit konstruieren und mit rhetorischen (oft geklauten) Plattitüden, Herzen und sonstigen schwachsinnigen Emoticons um sich werfen um eine gleichermaßen sinnentleerte Resonanz zu bekommen. Keinerlei Inhalt, null Tiefgang, keine Ehrlichkeit – aber davon jede Menge. Es ist heute einfach so verdammt leicht, sich selbst und anderen etwas vorzugaukeln, was nicht umgesetzt wird bzw. von vornherein gelogen ist. Zu verlockend ist die scheinbare Multioptionalität der großen weiten (digitalen) Welt, zu anstrengend die Mühe, die eigenen Worte mit Bedacht zu wählen und sich an ihnen messen zu lassen.

Wem kann ich noch vertrauen?

Ines möchte ihren Glauben an die Menschen und deren Güte behalten, aber es fällt ihr mittlerweile wirklich wahnsinnig schwer.
„Wohin ich auch schaue, überall schreit mir die Oberflächlichkeit entgegen. Ständig werden nur noch Superlative gebraucht, alles ist MEGA, phantastisch und voller Fülle und Dankbarkeit – ich möchte manchmal einfach nur noch kotzen, wie eigentlich schöne Wörter zum rhetorischen Fast-Food verramscht werden. Und auch das große Wort Liebe wird mittlerweile total inflationär und bedeutungslos gebraucht. Wie soll ich da noch darauf vertrauen können, dass mein Gegenüber es ernst meint? Dass ich mich auf sein Wort wirklich verlassen kann? Dass das Wort einen Wert hat?

Ines sackt in ihrem Stuhl zusammen, ihre ganze Körperhaltung zeigt ihre Verstörung und ihre Fassungslosigkeit darüber, mit welcher Skrupellosigkeit viele Menschen heutzutage absichtlich Dinge sagen, um ihr Ego zu befriedigen und andere Menschen für ihre eigenen Zwecke zu benutzen.
„Eigentlich will sich doch jeder Mensch geliebt und geborgen fühlen, warum flüchten sich dann immer mehr Menschen in diese verdammte Oberflächlichkeit und drehen sich nur noch um ihre eigenen Befindlichkeiten?“

Wo ist die echte Verbindung?

Das ist eine wirklich gute Frage. Statistisch gesehen waren die Menschen noch nie so einsam wie heute. Und gleichzeitig haben sie immer größere Angst davor, ehrliche Verbindung herzustellen und ihren Worten einen Wert zu geben. Warum also diese Flucht in den teilweise krankhaften Online-Exhibitionismus und das sich Verschanzen hinter dummen Worthülsen? Warum diese ängstliche Distanz?
Leider gibt es auch darauf keine allgemein gültige Antwort, die Ines ihr Vertrauen sicher zurückgeben kann.
Andere Menschen können wir nicht ändern. Wie immer können wir nur bei uns selbst anfangen. Wir können uns dafür entscheiden, es besser zu machen und dem oberflächlichen Zeitgeist mit Ehrlichkeit und Tiefgang entgegentreten. Wir können uns dafür entscheiden, dass unser Wort etwas wert ist. Und uns gleichzeitig erlauben, Menschen, die uns sinnentleert volllabern, aus unserem Leben zu streichen. Offensichtlich können sie es nicht besser, aber das soll nicht zu unserem Problem werden, auch wenn diese Erkenntnis sehr weh tun kann. Aus unserer Positionierung können wir Sinnhaftigkeit und Kraft schöpfen.

Ines hat die Wahl.

Ines kann sich nun entscheiden: Sie kann genauso hohl werden wie die anderen und in Zukunft ein Feuerwerk aus Worthülsen zünden. Sie kann sich vollkommen zurückziehen und sich ihrer Angst vor weiteren Enttäuschungen ergeben. Oder sie kann sich selbst treu bleiben und ihren Mut zu Ehrlichkeit und Verbindlichkeit als Stärke nutzen, die sie unterstützt, ihrem Wort Gewicht zu verleihen. Und dabei aufmerksam bleiben, ob andere Menschen Ihre Worte verdienen oder nicht.
Natürlich ist Nummer drei die beste Option und glücklicherweise hat sich Ines im Coaching aktiv für diese Variante entschieden. Unsere Welt braucht Menschen wie Ines, die dem kommunikativen Brechreiz die kalte Schulter zeigen und es besser machen. Wir brauchen Menschen, die sich aus Bla-Bla-Land verabschieden und es von ihrer Landkarte streichen.

Wer sein Wort nicht hält, ist Deine Zeit nicht wert!

Ich denke, also bin ich!?

Mach Deinen Geist zu Deinem Diener

Aber WER bin ich eigentlich, wenn ich WAS denke?

Jana ist am Boden zerstört, und das kann auch jeder sehen. Zusammengesackt sitzt sie auf dem Wohnzimmerboden ihrer besten Freundin Sandra und weint. Mal wieder ist sie verlassen worden. Verlassen von einem Mann, mit dem alles so gut anfing, mit dem sich die letzten 4 Monate endlich so angefühlt haben, wie sie es sich immer in einer Beziehung gewünscht hat. Liebevoll, aufmerksam, auf Augenhöhe und sicher.
Nun ist auch diese Blase wieder geplatzt und am Ende bleiben hässliche Flecken auf der Seele, die sich nur schwer wieder abwaschen lassen.

Jana hat ihr Herz geöffnet und mutig verschenkt, der Andere hat es vor Ablauf der Widerrufsfrist kommentarlos zurückgeschickt. Keine Erklärung, keine Zeit, keinerlei Wertschätzung oder Empathie. So wie das die „Ghosts“ von heute machen. Diese menschlichen Geister, die rücksichtslos Seelenqualen verursachen und nur eins kennen und können: Flucht, Vermeidung, radikale Abwehr, unbarmherzige passive Aggression. Das Schlachtfeld, das sie hinterlassen, sollen die Betroffenen selbst aufräumen – damit wollen sie mangels sinnvoller Copingfähigkeiten nichts mehr zu tun haben. Dass ein solches assoziales Verhalten ein Zeichen empathiegestörter emotionaler Defizite ist, ist weitläufig bekannt. Letztlich werden sie selbst an ihrem destruktiven Verhalten zerbrechen. Viel wichtiger ist, wie es Jana geht.

„Du musst nach vorne schauen und denken!“

sagt Sandra aufmunternd und reicht ihr das 3. Glas Rotwein und die fast leere Packung XXL-Taschentücher.
Und Jana denkt. Sie denkt seit ein paar Tagen so viel, dass ihr fast der Kopf platzt. Tag und Nacht. Sie denkt immer wieder dasselbe, entwirft fortwährend dieselbe selbstzerstörerische Geschichte, stellt sich ständig dieselben verurteilenden Fragen.

Was macht sie nur immer wieder falsch? Was stimmt an ihr nicht, dass keiner bei ihr bleiben möchte? Ist sie nicht hübsch, schlank oder klug genug? Zu kompliziert, zu langweilig, so liebenswert wie der alte Wintermantel, den sie nach 3 Jahren im Keller endlich ausrangiert hat?

Und aus diesem Fragen formt ihr denkendes Gehirn eine Geschichte:

„Ich heiße Jana und ich werde es niemals schaffen, einen Mann länger als ein paar Monate von mir zu überzeugen. Ich bin offenbar nicht liebenswert genug, um ein Herz dauerhaft zu halten, deshalb werde ich mein ganzes Leben lang alleine bleiben. Meinen Wunsch auf Familie kann ich vermutlich begraben, denn es hat offensichtlich keinen Sinn, weiter in diese Richtung zu träumen. Ich bin nicht schön genug, und das wird sich mit zunehmendem Alter immer weiter verschlimmern. Niemand wird mich anschauen und wenn – dann nur mit Abscheu. Es ist alles vollkommen hoffnungslos und macht absolut keinen Sinn mehr. Ich muss mich damit abfinden, allein zu bleiben.“

Cogito ergo sum.

René Descartes hat als Urheber dieses Satzes den Zweifel über seine Existenz ausgeräumt.

Jana denkt, also ist sie.
Ihren Gedanken nach ist sie ein bedauernswertes, einsames Wesen ohne Anspruch auf Liebe und Wertschätzung – und das ein Leben lang.
Ihre Gedanken entscheiden darüber, als wen sie sich wahrnimmt, wer sie also ihrer Meinung nach tatsächlich ist. Und diese Gedanken zerstören ihre Seele und ihre Fähigkeit, ihre Zukunft aktiv und zuversichtlich zu gestalten.
Von außen können wir natürlich leicht erkennen, dass es eine sehr einseitige und situativ emotional gefärbte Sicht der Dinge zu sein scheint. Das Verhalten des Vollidioten, der sie feige verlassen hat, scheint in ihrer Geschichte (noch) keine Berücksichtigung zu finden. Liebeskummer tut einfach verdammt weh und macht uns genauso wie die Liebe vorübergehend blind. Der Gedanke, dass sie etwas Besseres verdient, scheint noch nicht von ihr gedacht werden zu wollen. Ihre pessimistische Selbst- und Zukunftssicht ist das Ergebnis ihres einseitig negativ denkenden Geistes.

Wollen wir wirklich sein, was wir denken? Bestimmen unsere Gedanken wirklich, wer wir sind?

Oder anders gefragt: Möchten wir unseren negativen Gedanken dauerhaft die Macht über uns geben und sie in uns einsickern lassen wie ein dickflüssiges Gift – oder wollen wir stattdessen positive Gedanken als wirksame Gegenspieler aufs mentale Spielfeld schicken?

Wie können wir ein mentales Team zusammenstellen, das nicht gleich in der Vorrunde rausfliegt?

Es gibt unzählige Bücher, Videos, Tutorials, Coaches und Gurus, die uns erklären möchten, wie wir unseren Gedanken Einhalt gebieten: Unseren Geist dauerhaft zu unserem Diener statt zu unserem Meister zu machen.
Davon ist Jana gerade heillos überfordert. Sie möchte nur, dass dieses Gefühl der Trauer, dass sie wie eine graue Krake in ihr schwarzes Loch zieht, aufhört. Die Spieler mit der Rückennummer Null dauerhaft auf die Bank setzen oder am besten für immer in die Kabine verbannen.
Von Diener- und Meisterschaft möchte sie noch nichts hören – auch deshalb weil ihre dysfunktionalen Gedanken sie sowieso gerade beherrschen wie der Strippenzieher seine Marionette.
Aber es gibt einen Impuls, den sie annehmen kann:

„Nur, weil ich einen Gedanken habe, heißt es nicht, dass er auch wahr ist.“

Unsere Gedanken sind niemals die Realität, auch wenn wir das manchmal schwer eingestehen können. Sie sind nur unsere momentane Interpretation der Wirklichkeit, gefärbt durch unsere aktuelle Stimmung, unsere Erfahrungen, unsere Wünsche, erlebten Schmerzen, Hoffnungen etc.
Häufig sehen wir nur die Spitze des Eisbergs, verfügen nur über wenige Puzzleteile statt über das Big Picture, haben einen schlechten oder guten Tag – und schon färben sich unsere Gedanken entsprechend ein. Nichts davon hat Anspruch auf absolute Gültigkeit. Alles verändert sich ständig in uns und somit auch im Außen.

Monsieur Descartes wäre nun vermutlich bereit, sich mit uns darüber mutig und konstruktiv zu streiten. Aber für Jana ist es wichtig zu erkennen, dass ihr denkender Geist und die daraus entstehende Geschichte über ihr Selbst nichts anderes ist als das Abbild ihres aktuellen Zustands. Sie sieht die Welt, wie sie sich ihr in diesem Moment darstellt, wie sie von ihren Gedanken illustriert wird. Und das ist vollkommen in Ordnung. Aber es ist nicht die alleingültige Realität. Diese Trennung zwischen momentaner individueller Wahrnehmung und Realität hilft uns allen, unseren Gedanken Einhalt zu bieten und Abstand zu gewinnen. In unserem mentalen Team den Trainerposten zu behalten.

Wir denken.

Wir sind.

Aber wir sind nicht unsere Gedanken.

Aktuell kassiert Janas mentales Team ein Tor nach dem anderen, manche Spieler liegen verletzt auf dem Spielfeld oder pöbeln unkontrolliert rum. Aber Jana verfügt auch über ein breites Repertoire an weiteren Spielern, die sie spätestens in der 2. Halbzeit aufs Spielfeld schicken kann, wenn sie sich ihrer Trainerinnenrolle wieder gewachsen fühlt. Die Spieler, die sich gegenseitig unterstützen, zaubern und Tore schießen. Die stärkenden Gedanken, die ihr Auftrieb geben, nach vorne schauen wollen und die Einsicht reifen lassen, dass Menschen, die sich assozial verhalten, lediglich eine ehrliche bedauernswerte Selbstaussage vermitteln aber keinerlei Statement über den Wert der anderen Person. Und dass derartige Menschen keinen Platz in ihrem Leben verdienen, auch wenn es weh tut. Weil sie eben nicht das bedauernswerte Wesen aus der obigen Geschichte ist sondern ein Recht auf Liebe und Wertschätzung hat wie jeder andere Mensch auch und für dieses Recht einstehen darf. Und sie darf sich Co-Trainer an Bord holen, die sie bei der Mannschaftsbildung unterstützen.

Darüber darf Jana nun gern bewusst nachdenken und ihre Geschichte nach und nach von grau zu farbig umschreiben. Dann hat sie einen großen Schritt in Richtung „den Geist zum konstruktiven Diener machen“ geschafft.

Foto: www.pexels.com